Fraktionen

Endverarbeitung edelmetallhaltiger Fraktionen

Rückblick auf eine Weiterbildung der TK Swico und SENS

Edelmetallhaltige Fraktionen aus dem Schweizer Elektroaltgeräte (EAG)-Recycling werden in Spezialschmelzwerken im europäischen Raum endverarbeitet. Dabei können neben Gold und Silber auch bis zu 15 weitere Edel- und Sondermetalle zurückgewonnen werden. Im Rahmen einer Weiterbildung setzte sich die Technische Kommission von Swico und SENS (TK Swico/SENS) 2023 mit den Fragen auseinander, wie dies technisch funktioniert, wo die Grenzen liegen und wie es mit der Rückgewinnung von Metallen aus Lithium-Ionen- Batterien aussieht.

Am 25. und 26. September 2023 trafen sich die Mitglieder der TK Swico/SENS in Spiez BE zu einer zweitägigen Weiterbildung. Nebst dem regulären organisatorischen und fachlichen Austausch kam vertieft das Thema Verarbeitung edelmetallhaltiger Fraktionen zur Sprache. Als Experte für (Edel-)Metallrecycling konnte Christian Hagelüken gewonnen werden. Er liess uns an seinem breiten Wissen teilhaben, das er in seiner langjährigen Industrieerfahrung und durch sein Mitwirken in verschiedenen Grossprojekten, Expertengruppen und Initiativen aufgebaut hat. Neben den fachlichen Inputs und dem offenen Austausch stand auch ein Besuch bei der Batrec in Wimmis auf dem Programm, bei der die TK einen vertieften Einblick in die Batterierecyclingprozesse und die Entwicklungen zur Verarbeitung von Lithium-Ionen-Batterien erhielt.

Multimetallrecycling

EAG sind ein komplexer Abfallstrom, der Kunststoffe, Glas, Keramik, Edel-, Basis und Sondermetalle, Halogene, Schadstoffe etc. in einem engen Materialverbund enthält. In einer teils manuellen, teils mechanischen Vorbehandlung werden diese Materialien soweit möglich aufgetrennt, um sie einem entsprechenden Recyclingprozess zuzuführen. Die Edel- und Sondermetalle werden dabei in bestimmten Fraktionen aufkonzentriert, welche jedoch weiterhin aus einer Materialmischung bestehen. Eine saubere Abtrennung solcher Metalle ist zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Edel- und sondermetallreiche Fraktionen werden daher einem Multimetallrecycling-Prozess zugeführt. Nach dem Aufschmelzen werden kupfer-, nickel- und bleireiche Schmelzen voneinander getrennt. Diese Metalle dienen dabei als Sammler und nehmen (chemisch) edle Metalle mit, die metallurgisch und thermodynamisch dazupassen. Bei der Rückgewinnung von Kupfer, Nickel und Blei über Spezialprozesse verbleiben die «gesammelten» Metalle in den jeweils anfallenden Rückständen, aus denen sie in Folgeprozessen zurückgewonnen werden können1 (siehe Abbildung 1). Dabei sind hohe Recyclingraten selbst dann möglich, wenn die Zielmetalle nur als Spurenelemente im Input vorkommen.

1 Im Artikel wird der Prozess beschrieben, der bei der Umicore Hoboken zur Anwendung kommt. Die Prozesse bei anderen Schmelzwerken können davon abweichen.

Abbildung 1: Quelle: C. Hagelüken, "Recycling of Electronic Scrap at Umicore. Precious Metals Refining," in Acta Metall, Waste - Secondaery Raw Materials III, Strbske Pleso, Slovakia, 2006


Herausforderungen

Die Prozesskomplexität ist hoch, denn neben den unterschiedlichen Schmelz- und Raffinationsprozessen bestehen auch strikte Anforderungen an die Luftreinhaltung und das Reststoffmanagement. Entsprechend hoch ist auch der Investitionsbedarf. Weil die Prozesse zudem energieintensiv sind, kommen hohe und teils volatile Energiekosten sowie Investitionen in die Dekarbonisierung der Prozesse hinzu. Diesen Kosten stehen abnehmende Edelmetallgehalte in Elektronikprodukten sowie volatile Metallpreise gegenüber. Um die Wirtschaftlichkeit einer Multimetallrecycling-Anlage für Elektronik zu gewährleisten, sind Economies of Scale von zentraler Bedeutung. Weltweit gibt es deshalb nur eine limitierte Anzahl solcher Anlagen.

Eine weitere Herausforderung ist das Ziehen von repräsentativen Proben für die Materialanalyse. Eine solche muss für jede Lieferung gemacht werden, da sie benötigt wird, um das eingekaufte Material anhand der tatsächlichen Zielmetallgehalte sowie allfälliger Stör- und Schadstoffgehalte korrekt zu vergüten. Zudem sind diese Informationen elementar, um eine optimale Zusammenstellung des Inputmaterials für den Schmelzprozess zu gewährleisten.

Grenzen

Zielmetalle, die einem entsprechenden Multimetallrecycling-Prozess zugeführt werden, können mit hoher Qualität zurückgewonnen werden. Die Prozessausbeute für Edelmetalle liegt bei über 95 %. Dabei handelt es sich jedoch um den letzten Schritt in der Recyclingkette. Zuvor müssen Elektroaltgeräte gesammelt und Prozessen zur Vorbehandlung zugeführt werden. Wenn Elektroaltgeräte gar nicht erst gesammelt oder wenn sie einer ungeeigneten Entsorgung zugeführt werden, gehen die darin enthaltenen Metalle verloren. Weitere Verluste können auch in der Vorbehandlung entstehen, wenn Edel- und Sondermetalle auf Fraktionen verteilt werden, aus denen sie nicht zurückgewonnen werden. Die Gesamtrecyclingeffizienz wird dabei durch das schwächste Glied der Kette bestimmt (siehe Abbildung 2).

Edel- und Sondermetalle kommen nur in geringen Mengen in Elektroaltgeräten vor. Aufgrund der hohen Investitions- und Prozesskosten ist ein wirtschaftliches Recycling nur dann möglich, wenn der Prozess mit den nötigen Mengen ausgelastet werden kann und die Metallpreise entsprechend hoch sind. Letzteres ist bei Edelmetallen und Kupfer gegeben, für viele Sondermetalle hingegen nicht. Diese können nur wirtschaftlich zurückgewonnen werden, weil die entsprechenden Synergien mit dem Kupfer- und Edelmetallrecycling vorhanden sind. Metalle, die metallurgisch und thermodynamisch nicht zu den angewandten Prozessen passen, gehen als Oxide in die finale Schlacke über, aus der sie in der Regel weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll zurückgewonnen werden können.

Lithium-Ionen-Batterierecycling

Lithium-Ionen-Batterien sind heute in Elektronikprodukten allgegenwärtig. Da es sich um spezifische Bauteile handelt, können und müssen diese frühzeitig entfernt und einem separaten Recycling zugeführt werden. Einerseits stellen Lithium-Ionen-Batterien im Abfallstrom ein grosses Risikopotenzial dar2, andererseits können die enthaltenen Rohstoffe besser zurückgewonnen werden, wenn die Batterien als separater Strom einem gezielten Recycling zugeführt werden. Weil Batterien oft fest in den Geräten verbaut sind (verklebt, eingeschweisst), sie bei der Entfernung jedoch möglichst unbeschädigt bleiben sollten, ist schon dieser Prozess eine erste technische und wirtschaftliche Herausforderung. Zudem gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Bauweisen und Batteriechemien. Eine Sortierung ist nur bei einem homogenen Abfallstrom möglich, zum Beispiel bei Elektroautobatterien gleicher Art und Bauweise. Lithium-Ionen-Batterien aus Elektroaltgeräten werden in der Regel nicht sortiert, sondern in einem speziellen Zerkleinerungsverfahren gemischt verarbeitet, um eine sogenannte «Black Mass» als Vormaterial für die Endverarbeitung zu erhalten. Nebst Nickel und Kupfer enthält die Black Mass auch Kobalt, Lithium und weitere Metalle. Im zuvor beschriebenen Prozess zur Rückgewinnung von Edel- und Sondermetallen können davon nur Kupfer und Nickel zurückgewonnen werden. Die weiteren Metalle würden in der Schlacke verloren gehen. Um die in der Black Mass enthaltenen Rohstoffe effizient zurückzugewinnen, bedarf es anderer Spezialverfahren. Solche werden aktuell von verschiedenen Firmen entwickelt, unter anderem auch von der Umicore. Rückgewinnungsquoten von > 90 % für Kobalt, Nickel und Kupfer sowie von > 50 % für Lithium können bereits erreicht werden.

Besuch bei der Batrec

Auch die Batrec entwickelte ein Verfahren zur Metallrückgewinnung aus Lithium-Ionen- Batterien. Die teilweise mit anderen Batterietypen3 vermischt angelieferten Lithium-Ionen-Batterien werden händisch aussortiert und die reine Lithium-Ionen-Batterie-Fraktion daraufhin in einem speziellen Zerkleinerungsverfahren verarbeitet. Dabei wird unter anderem Black Mass gewonnen, welche als Vormaterial für die Endverarbeitung bei einem Abnehmer dient.

Beim Besuch in Wimmis konnte neben der Führung und den Inputs zu den Recyclingprozessen für gewöhnliche Haushaltsbatterien auch die manuelle Sortierung und das Zerkleinerungsverfahren für Lithium-Ionen-Batterien besichtigt werden. In einem offenen Austausch mit Fachpersonen der Batrec konnten zudem Fragen zum Umgang mit Lithium-Ionen- und Lithium-Metall-Batterien geklärt werden, die bei der Audittätigkeit häufig aufkommen. 

2 Hitzeentwicklung bei allfälligen Kurzschlüssen durch Beschädigung kann schnell zu Bränden führen.
3 Nickel-Cadmium-, Alkali-, Nickel-Metallhybrid(NiMH)-Batterien etc.

Quelle:
C. Hagelüken, «Recycling of Electronic Scrap at Umicore. Precious Metals Refining.» in Acta Metall, Waste – Secondary Raw Materials III, Strbske Pleso, Slovakia, 2006.

Besuch der TK Swico und SENS bei der Batrec Industrie AG in Wimmis