Recycling von Kunststoffabfällen aus Elektro- und Elektronikaltgeräten

Einblicke in die jüngsten Entwicklungen

Kunststoffe machen im Durchschnitt 25 % des Gewichts von Elektro- und Elektronikaltgeräten (EAG) aus. Ihr Recycling stellt einen wesentlichen Beitrag zum Umweltnutzen des EAG-Recyclings dar und ist oft notwendig, um die vorgegebenen Recyclingziele zu erreichen. Allerdings sieht sich die EAG-Kunststoffrecyclingbranche mit schwierigen Marktbedingungen und herausfordernden rechtlichen Entwicklungen konfrontiert.

Die Vorteile des EAG-Kunststoffrecyclings

Durch das Recycling von Kunststoffen aus Elektro- und Elektronikaltgeräten können beträchtliche CO₂-Einsparungen erzielt werden. Laut einer aktuellen LCA-Studie von DSS+, die im Auftrag eines europäischen EAG-Recyclingunternehmens durchgeführt wurde, kann mit jeder Tonne Kunststoff, die aus Elektro- und Elektronikaltgeräten recycelt wird und Neuware ersetzt, der Ausstoss von 1,5 bis 4 Tonnen CO₂-Äquivalenten (CO₂e) vermieden werden (je nach Polymer, siehe Abbildung 1). Umgerechnet auf die Schweiz könnten mit dem Recycling von Kunststoffen aus schweizerischen Elektro- und Elektronikaltgeräten etwa 45’000 Tonnen CO₂e eingespart werden. Im Vergleich dazu zeigen die Zahlen aus dem Fachbericht 2023, dass das Recycling von Stahl aus Schweizer Elektro- und Elektronikaltgeräten CO₂-Einsparungen von rund 30’000 Tonnen CO₂e ermöglicht.

Das Recycling von Kunststoffen aus Elektro- und Elektronikaltgeräten bietet nicht nur bedeutende ökologische Vorteile, sondern ist auch ein Schlüsselfaktor für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft im Elektroniksektor. Für die meisten EAG-Kategorien ist das Recycling von Kunststoffen notwendig, um die Zielvorgaben für das EAG-Recycling zu erreichen. Diese Tatsache wird durch die zu beobachtende Substitution von Metallen durch Kunststoffe in vielen Bauteilen noch verstärkt.

Die Kunststofftypen, die in Elektro- und Elektronikgeräten verwendet werden, unterscheiden sich stark von denen, die zum Beispiel in Verpackungen eingesetzt werden. In diesen Geräten finden sich hauptsächlich hochwertige technische Kunststoffe, die zu hochwertigen Rezyklaten recycelt werden können. Diese Rezyklate können wiederum in Elektro- und Elektronikgeräten oder anderen anspruchsvollen Anwendungen wiederverwendet werden.

In Europa gibt es mehr als 40 Unternehmen, die sich auf das EAG-Kunststoffrecycling spezialisiert haben. Aber kein einziges befindet sich in der Schweiz, da die Mengen zu gering sind. Daher müssen alle EAG-Kunststoffe für das Recycling aus der Schweiz exportiert werden. LCA-Studien zeigen jedoch, dass die Auswirkungen des Transports sehr gering sind (etwa 1 % der Gesamtemissionen im Zusammenhang mit dem Recyclingprozess, wenn man von 250 km Transportweg zur Recyclinganlage ausgeht)1.

1 https://www.mgg-recycling.com/wp-content/uploads/LCA-MBA-Polymers-Austria.pdf

Herausforderungen für das EAG-Kunststoffrecycling

Trotz der vielen oben genannten Vorteile steht die EAG-Kunststoffrecyclingbranche derzeit vor einer Reihe von Herausforderungen.

Erstens berichten die EAG-Kunststoffrecycler, dass die Nachfrage nach recycelten Kunststoffen im Jahr 2023 zurückgegangen ist, was auch zu einem Rückgang der Rezyklatpreise geführt hat. Diese Entwicklung in Verbindung mit den hohen Energiepreisen hat sich negativ auf die Rentabilität des EAG-Kunststoffrecyclings ausgewirkt.

Zweitens erreicht diese Unternehmen nur ein Bruchteil der Gesamtmenge, nämlich 0,4 Millionen Tonnen der insgesamt 2,6 Millionen Tonnen EAG-Kunststoffe, die jedes Jahr in Europa anfallen (Abbildung 2). Für diese grosse Diskrepanz sind hauptsächlich zwei Faktoren verantwortlich: Erstens wird nur etwa die Hälfte aller in Europa anfallenden EAG im Rahmen von Rücknahmesystemen getrennt gesammelt. Zweitens werden, wenn EAG gesammelt und einer Vorbehandlungsanlage zugeführt werden, die Kunststofffraktionen häufig verbrannt (oder sogar auf Deponien entsorgt) oder zum kostengünstigen Recycling ausserhalb Europas exportiert, was mit erheblichen Gesundheits- und Umweltrisiken verbunden ist.

Und letztendlich zeigt sich die europäische EAG-Kunststoffrecyclingbranche sehr besorgt über den jüngsten Vorschlag der POP-Sachverständigengruppe der Europäischen Kommission im Hinblick auf die unbeabsichtigte Spurenverunreinigung (Unintentional Trace Contamination, UTC) von polybromierten Diphenylethern (PBDEs)2 in Stoffgemischen und Erzeugnissen3. Dieser Grenzwert ist derzeit auf 500 ppm (0,05 %) festgelegt. Das bedeutet, dass recycelte Kunststoffe weniger als 500 ppm enthalten müssen, um auf den Markt gebracht werden zu können. Dies ist bereits ein sehr niedriger Grenzwert, wenn man bedenkt, dass PBDE in der Vergangenheit in Konzentrationen von bis zu 200’000 ppm (20 %) verwendet wurden. Recycler, die in der Lage sind, bromierte Kunststoffe mit Hilfe von Techniken zu entfernen, die auf der Dichte basieren, können diesen Grenzwert jedoch erreichen. Die POP-Sachverständigengruppe hat nun zwei Ansätze vorgeschlagen, um diesen Grenzwert weiter zu senken:

  • Einen «Ansatz zur Schaffung eines PBDE-freien Marktes für Verbraucherprodukte», der einen Grenzwert von 10 ppm für «Produkte, die von der Allgemeinheit genutzt werden können», also eine sehr breite Produktkategorie, vorschlägt. Dieser Ansatz würde den Markt für recycelte Kunststoffe aus EAG drastisch verkleinern.
     
  • Einen «Ansatz, der das Recycling berücksichtigt», und eine Reduzierung auf 350 ppm im Jahr 2026 und 200 ppm im Jahr 2028 für Rezyklate vorschlägt. Dieser Ansatz sieht auch einen spezifischen Grenzwert für Stoffgemische und Erzeugnisse aus PBDE-haltigen Rezyklaten vor: 250 ppm bei Annahme, 175 ppm ab 2026 und 100 ppm ab 2028. Dieser Vorschlag sieht also einen maximalen Rezyklatgehalt von 50 % vor, obwohl es viele Beispiele für Produkte mit 100 % recyceltem Kunststoffanteil gibt.


Die Recyclingbranche spricht sich dafür aus, den Grenzwert von 500 ppm bis 2030 beizubehalten und ihn dann auf 200 ppm zu senken. Die Branche argumentiert, dass dieser Ansatz einen klaren Zeitrahmen vorgibt, der Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau der bestehenden Recyclinginfrastruktur ermöglicht und gleichzeitig die sachgemässe Entsorgung und Beseitigung von PBDE in den eingehenden Kunststoffströmen von EAG gewährleistet.

Fazit

Seit vielen Jahren wird über den angemessenen Grenzwert für PBDE in EAG diskutiert. Die Debatte ist Ausdruck eines zentralen Dilemmas zwischen dem Streben nach einer kohlenstoffarmen Kreislaufwirtschaft und der Sicherstellung der schrittweisen Abschaffung giftiger Stoffe. Aufgrund langer Produktlebensdauern und technischer Herausforderungen bei der Abfallsortierung ist es unvermeidlich, dass selbst nach dem Verbot eines Stoffes Rückstände davon in recycelten Materialien vorhanden sind. Es obliegt grundsätzlich der Politik, einen angemessenen Grenzwert festzulegen. Dies sollte jedoch auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse geschehen, um die Umwelt- und Gesundheitsrisiken zu minimieren und gleichzeitig den ökologischen Nutzen des Recyclings zu maximieren.

2  Art von bromierten Flammschutzmitteln, die seit den 1970er-Jahren zur Erfüllung von Brandschutzanforderungen in EAG verwendet werden und deren Verwendung seit Anfang der 2000er-Jahre aufgrund von Bedenken und Beschränkungen wegen ihrer Persistenz, ihres Bioakkumulationspotenzials und ihrer Toxizität zurückgegangen ist. Die weltweite Produktion erreichte 2003 ihren Höhepunkt und lag 2019 bei Null (https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.8b07032).
3 https://euric-aisbl.eu/images/Press-releases/Statements/JOINTstatementpops.PDF